MindgeekPornhub-Chefs schmeißen hin

Die Chefs der Pornhub-Mutter Mindgeek wollen nicht weitermachen. CEO Feras Antoon und COO David Tassilo räumen ihre Posten. Ihr Abgang ist auch ein Etappensieg für erzkonservative Pornofeinde.

Ex-Mindgeek-CEO Feras Antoon
Es gibt wenige Bilder von Feras Antoon – hier in einer Videoschalte vor dem kanadischen Parlament – Antoon: IMAGO / Zuma Press; Montage: netzpolitik.org

Der Konzern Mindgeek betreibt mit seiner Flaggschiff-Website Pornhub eines der größten Porno-Imperien des Internets. Seit Jahren stehen Mindgeek und Pornhub international in der Kritik. Die Kritik kommt einerseits von Betroffenen digtialer Gewalt, deren Aufnahmen ohne Einverständnis auf Pornhub einem Millionenpublikum zugänglich gemacht wurden. Andererseits lobbyieren erzkonservative Aktivist:innen gegen den Konzern, weil sie kommerzielle Sexarbeit abschaffen wollen.

Jetzt haben Geschäftsführer Feras Antoon und operativer Geschäftsführer David Tassilo ihren Rückzug aus dem Tagesgeschäft bekanntgegeben. Wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichten, ziehen sich Antoon und Tassilo nach mehr als einem Jahrzehnt von ihren Führungsposten zurück. Eine Nachfolge werde gesucht. Beide bleiben demnach Anteilseigner.

Pornhub ist einer der drei weltgrößten Anbieter für Online-Pornos. Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten xHamster und XVideos steht Pornhub international besonders im öffentlichen Fokus. Die Zahlungsdienstleister Visa und Mastercard hatten sich von Pornhub zurückgezogen – zum Leidwesen von teils prekär beschäftigten Sexarbeiter:innen. Mehrere Klagen von Betroffenen digitaler Gewalt ziehen den Konzern zur Verantwortung. Es geht um gefilmte, mutmaßliche Vergewaltigungen und ohne Einverständnis geteilte Nacktaufnahmen.

Rückzug aus der Öffentlichkeit

Die Chefs Antoon und Tassilo mussten sich vor diesem Hintergrund bereits vor dem kanadischen Parlament erklären. In der kanadischen Stadt Montreal hat Mindgeek sein größtes Büro. Der Auftritt vor dem öffentlichen Ausschuss des Parlaments war ungewöhnlich. Selten zeigen die Manager der weltgrößten Pornoseiten ihr Gesicht. Das gilt auch für die Chefs der Konkurrenz-Plattformen XVideos und xHamster, die anscheinend noch nie ein Video-Interview gegeben haben. Der Abtritt der beiden Pornhub-Manager von ihren Chefposten lässt sich insofern auch als Rückzug aus der Öffentlichkeit interpretieren.

Es gibt noch einen Faktor, der beim Rückzug aus der Öffentlichkeit eine Rolle spielen könnte. Pornhub ist auch zur Zielscheibe internationaler Aktivist:innen geworden, die kommerzielle Sexarbeit und Pornografie grundsätzlich ablehnen. Die ideologische Basis dafür sind teils religiös geprägte Erzählungen darüber, dass Menschen erotische Dienstleistungen niemals freiwillig anbieten würden. Diese Ansicht ist inhaltlich falsch und verletzt unter anderem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die Berufsfreiheit. Der Einfluss dieser Aktivist:innen ist aber groß.

Die Sexarbeits-feindliche Organisation Exodus Cry sammelte mit einer Anti-Pornhub-Petition mehr als zwei Millionen Unterschriften. Fürsprecher:innen schaffen es immer wieder in renommierte, journalistische Nachrichtenmedien. Für Porno-Manager wie Antoon hat das wohl Konsquenzen. In einem Interview mit dem US-Magazin Vanity Fair hatte Antoon gesagt, er werde von Porno-Gegner:innen bedroht. Sein Anwesen war nach einem mutmaßlichen Brandanschlag im April 2021 zur Ruine geworden.

Der Krimi um die abgebrannte Villa des Pornhub-Chefs

Reformen bei Pornhub

Ein Vorgänger der nun abgetretenen Pornhub-Chefs ist der deutsche Unternehmer Fabian Tyhlmann. Heute ist er nicht mehr bei Mindgeek involviert. Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk forderte er Anfang des Jahres eine stärkere politische Regulierung, damit nicht-einvernehmliche Inhalte besser kontrolliert werden. Seiner ehemaligen Firma empfehle er, da „extrem“ mitzuwirken.

Umgangssprachlich sind ohne Einverständnis geteilte Nacktaufnahmen als Rachepornos bekannt. Betroffene und Fachleute sprechen lieber von bildbasierter Gewalt. Zahlreiche Recherchen konnten zeigen, wie solche Aufnahmen teils Millionen Views sammeln und immer wieder hochgeladen werden. Dass die Pornhub-Chefs nun hinschmeißen ändert für Betroffene zunächst – nichts. Pornhub hatte sich zuletzt zumindest darum bemüht, mehr Transparenz zu schaffen. So hat Pornhub Millionen Videos nicht-verifizierter Accounts gelöscht. Der erste Transparenzbericht der Plattform war inhaltlich mangelhaft, aber dennoch ein Novum.

Zumindest in der Vergangenheit hat sich Pornhub mit offensiver Öffentlichkeitsarbeit gegenüber Konkurrenten hervorgetan. Jährlich veröffentlichte Infografiken sollten anschaulich machen, welche Porno-Genres Menschen auf der ganzen Welt heiß finden. Der Pornhub-Jingle ist auf TikTok zum Meme geworden. Die Nachfolge von Antoon und Tassilo muss entscheiden, welche Richtung Pornhub als nächstes einschlägt.

Petition für deutsche Betroffene

Auch in Deutschland gibt es eine Debatte, wie sich die Rechte von Betroffenen bildbasierter Gewalt stärken lassen. Das Bündnis Anna Nackt vertritt die Interessen von Betroffenen und bringt sich in Gesetzgebungsprozesse ein. Eine geplante Ergänzung des Digitale-Dienste-Gesetztes der Europäischen Union ist jedoch im Frühjahr gescheitert.

Seit Juni fordert eine Petition mit dem Motto #egalwo eine Ergänzung des deutschen Strafrechts. Nach wie vor sind intime Bildaufnahmen ohne Einverständnis in manchen Situationen nicht strafbar, beispielsweise am FKK-Strand. Pornhub und andere große Pornoseiten verbreiten FKK-Videos – laut Nutzungsbedingungen müssen damit alle Beteiligten einverstanden gewesen sein. Die neue Petition des Kulturkosmos Müritz e.V. hat inzwischen mehr als 7.500 Unterschriften gesammelt.

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